Heißer – extremer – herausfordernder
04. 04. 2024
2023 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Was heißt das für den Bahnbetrieb? Fakten & Implikationen über das Qualitätsjahr hinaus.
04. 04. 2024
2023 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Was heißt das für den Bahnbetrieb? Fakten & Implikationen über das Qualitätsjahr hinaus.
Mitten im europäischen Winter erreichte uns die Meldung des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus: 2023 war global betrachtet das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und auch das wärmste Jahr in Österreichs 256-jähriger Messgeschichte. Die Durchschnittstemperaturen liegen weltweit um 1,48 Grad über dem vorindustriellen Niveau von 1850 bis 1900. 1,48 Grad – das klingt wenig, bringt aber so einiges mit sich: Extremwetterereignisse, Hitzetote, Ernteausfälle und: Bahnausfälle.
Man muss nicht bei 35 Grad im Verschub arbeiten, um zu spüren: Die Belastung steigt bei großer Hitze für Mensch, Natur und Material. Ersteren ist durch Klimaanlagen (sofern nutzbar) geholfen. Zweiterem versuchen wir mit einem angepassten Anlagenmanagement entgegenzuwirken. Dazu gehören zum Beispiel Schutzwälder, die unsere Infrastruktur vor Lawinen und Murenabgängen, aber auch Erdrutschen im wahrsten Sinne schützen sollen.
Allerdings können durch Hitze- und Wasserstress oder durch Schädlinge die Schutzfunktion der Wälder beeinträchtigt werden. Insgesamt haben wir 4.239 ha Wald in ganz Österreich (davon 3.370 ha Schutzwald). Deshalb gibt es auch beim Wald Anpassungsmaßnahmen. Die Aufforstung von klimafitten Baumarten und die Erzielung einer Mischwaldkultur sind zwei wesentliche davon. Auch innovative Prognosemodelle unterstützen uns dabei, unsere Anlagen in hoher Qualität verfügbar zu halten und damit den sicheren Bahnbetrieb das ganze Jahr über zu gewährleisten. Dazu betreiben wir über 50 Wetterstationen, die in ein großes Netz eines Wetterdienstes integriert sind und zeitgerecht sowie streckenspezifisch den ÖBB Wetterwarnungen liefern. Wir beugen mit entsprechenden Hitzewarnungen über das Wetterwarnsystem infra:wetter vor und checken so vorab gefährdete Bereiche. Vorbereitung ist alles, oder hilft zumindest viel!
Eines ist klar: Schadensbegrenzung ist nie so gut wie Schadensvermeidung. Doch mit dem Klimawandel haben wir einen mächtigen Gegenspieler in Sachen Lebensqualität und Qualität im Bahnverkehr. Und das nicht nur im Qualitätsjahr 2024, sondern sicher darüber hinaus. Wissen ist Macht – deshalb wird von uns auch intensiv geforscht: Die Ergebnisse aus dem VIF-Projekt “INGEMAR” (Intelligentes Naturgefahrenmanagement und Risikobeurteilung) werden aktuell im ÖBB Lawinenwarndienst angewendet. VIF steht übrigens für Verkehrsinfrastrukturforschung. Zurück zu INGEMAR: Hier werden Wetterdaten mit der Zustandsbeurteilung von technischen Schutzverbauungen gegenüber Lawinen sowie Schutzwaldbeständen verknüpft. Dann gibt es auch noch das VIF-Projekt „KlimZug“ – Klimawandelanpassung im Zugverkehr durch Prognose von Extremwetterereignissen & klimawandelbedingter Änderungen im Energiedargebot. Es läuft seit 2022 und soll bis 2024 die Prognose von Extremwetterereignissen untersuchen und die Aussagekraft verbessern.
KlimZug (ffg.at)
INGEMAR (ffg.at)
Es sind heiße Aussichten. Gleichzeitig lassen sie einem aber auch das Blut in den Adern gefrieren, denn: Bei einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad Celsius kippen bereits fünf der 16 bekannten großen Elemente des Ökosystems wie etwa das Grönlandeis. Das wird zu einem Anstieg des Meeresspiegels um zehn Meter führen – das prognostiziert uns Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber sagte in einer ZIB: „Wenn wir Richtung 3 Grad oder mehr gehen würden, wäre das das Ende der menschlichen Zivilisation."
Wenn wir so weitermachen wie bisher, erwarten uns bis zum Ende des Jahrhunderts eine globale Erhitzung um zwei bis drei Grad. Der Spielraum fürs Handeln schwindet und das Zeitfenster wird immer kleiner.
Was ist also angesagt? Verzweifeln oder resignieren à la: „Was kann ich als Einzelne:r schon tun?“ Klimaforscherin und Buchautorin Friederike Otto rät: „Indem die Forderung nach Veränderung geteilt wird, wird sie irgendwann unausweichlich.“ Als Mitarbeiter:in in Österreichs größten Klimaschutzunternehmen im Mobilitäts- und Logistikbereich ist man definitiv auf der guten Seite der Macht. Verratet uns doch in den Kommentaren, was ihr gegen den Klimawandel macht und worin ihr die größten Herausforderungen für unseren Bahnbetrieb seht.