Gleisgeschichten: Severin & Stefanie – die perfekte Hallstatt Harmonie
17. 05. 2024
„Wer mit dem Auto nach Hallstatt fährt, ist selbst schuld“, findet Kapitän Severin Schenner. Der Ausblick vom Bord des Linienschiffes gibt ihm recht.
17. 05. 2024
„Wer mit dem Auto nach Hallstatt fährt, ist selbst schuld“, findet Kapitän Severin Schenner. Der Ausblick vom Bord des Linienschiffes gibt ihm recht.
Es ist 6 Uhr am Morgen als Severin Schenner und Stefanie ihren Dienst beginnen. Severin ist der Kapitän, Stefanie das Schiff. Beide sind in den späten 1970-er Jahren „gebaut“ und haben die gleiche Mission: Die letzte Meile zwischen Hallstatt Ort und Hallstatt Bahnstation trockenen Fußes zu ermöglichen.
„Wer den Weltkulturerbeort Hallstatt mit der Bahn besucht, steigt für die letzten 1,5 Kilometer auf dieses Linienschiff“, schildert Severin. Bis zu 18 Mal täglich, an 365 Tagen im Jahr schippert die Stefanie zwischen dem malerischen Ort am Westufer und der Bahnstation am Ostufer.
„Seit 1881 gibt es diese Symbiose. Es ist ein Miteinander, ein Geben und Nehmen. Wer mit dem Schiff nach Hallstatt kommt, hat die malerische Kulisse vor Augen bzw. der Kameralinse. Wer mit dem Auto anreist, ist selber schuld!“ so Severin.
Die Fahrtzeiten der Stefanie sind abgestimmt auf den Zugfahrplan, der Bahnboom macht sich schließlich auch am Wasser bemerkbar. In den 90iger Jahren waren es im Winter pro Tag 4 Fahrgäste, heute sind es an guten Tagen im Sommer bis zu 500. „Sie kommen aus aller Herren Länder“, schildert Severin und ergänzt: „Klar menschelt es, jedoch friktionsfrei. Das Panorama glättet so manche Wogen ...“. Die ersten Fahrgäste am Morgen sind Schüler:innen, die in die Neue Mittelschule nach Bad Goisern pendeln.
Auch Severin, der in Hallstatt aufgewachsen ist und bereits mit 8 Jahren erste Matrosenluft geschnuppert hat, war ein solcher Pendler. Heute muntert er müde oder geknickt dreinschauende Schüler:innen mit ein paar freundlichen Worten auf.
Nach seiner Pflichtschulzeit schloss Severin die Fachschule für Holzbau in Hallstatt mit dem Meistertitel ab. Bevor er als Kapitän anheuerte, studierte er an der TU Hydrostatik und -dynamik, arbeitete in der Privatwirtschaft und landete in zwei Playboy-Ausgaben – angezogen, im Lifestyle-Teil, mit einem von ihm für F. List konzipierten Motorschnellboot. Bei der Hallstätter Schifffahrt hat Severin nun seine Berufung gefunden: „Ich kann mir gut vorstellen, dass ich das bis zur Pension mache. Wenn’s die Schifffahrt nicht geworden wäre, hätte es mich zur Eisenbahn gezogen.“ Die Stefanie sei ein Schiff, „wie man es sich nur wünschen kann – sehr manövrierfreudig, verlässlich und sparsam. Pro Betriebsstunde verbraucht sie nur 2,3 Liter Diesel. Meine Frau sagt immer: “Ich hab dich geheiratet und das Schiff dazu.” Es ist eine harmlose Form der Dreiecksbeziehung.“ Die Hochzeit fand – wie könnte es anders sein – am 20. Mai 2017 auf der „Hallstatt" statt, jenem Rundfahrtsschiff der Flotte, das Severin 2015 selbst geplant hat.
Sieben Minuten dauert eine Überfahrt, Fad wird Severin dabei nie. In der Vor- und Nachsaison verkauft er gemeinsam mit einem Gehilfen die Fahrkarten, taut das Schiff an, hilft den Reisenden mit dem Gepäck und wenn ein Windstoß dafür sorgt, dass der 20-Euro Schein einer Reisenden baden geht, fischt Severin diesen geschickt aus dem Wasser.
„Mein ungewöhnlichster Fahrgast ist wohl ein Esel“, schmunzelt der Kapitän. Gemeint ist tatsächlich das Tier: „Einmal im Jahr kommt ein Wanderer, der einen Esel als Gepäckträger mit sich führt. Beide sind verladefromm.“ Nur selten komme es vor, dass sie menschliche Fahrgäste wie sprichwörtliche Esel benehmen, indem sie etwa auf Sicherheitsvorschriften pfeifen. Sowas kann Severin nur kurz die Laune verderben. „Als das erste und letzte Gesicht, das die Leute von Hallstatt sehen, bin ich mitunter auch die Klagemauer. Fürs Wetter, gesalzen empfundene Preise oder dafür, dass Hallstatt zu voll sei.“ Für letzteres weiß Severin einen Ausweg: „Tagsüber herrscht Remmidemmi. Wer die Stille von Hallstatt genießen möchte, übernachtet im Ort.“ Auf diesem Weg bleibt mehr Zeit, die 7000-jährige Geschichte des Ortes zu spüren – und man kann dann auch gute Nacht zu den Katzen sagen, die durch den Ort streifen – mit „Cats of Hallstatt“ haben sie bereits einen eigenen Instagram-Kanal. Als Zweibeiner ohne sieben Leben: Einmal im Leben sollte man mindestens in Hallstatt gewesen sein! Und wann fährst du?