Gleisgeschichten: Jacqueline - mit Volldampf zum Achensee

11. 07. 2024

Gemeinsam sind sie 155 Jahre alt – die 20-jährige Lokführerin Jacqueline und die Dampflok der Achenseebahn. 

Mit 19 Jahren wurde Jacqueline Lechner zur jüngsten Dampflokführerin Österreichs. Unterwegs ist sie auf der ältesten ausschließlich mit Dampf betriebenen Zahnradbahn Europas – der Achenseebahn.

Eigentlich begann die Absolventin einer Tourismusschule dort als Büro- und Marketingassistentin, als die sie noch immer tätig ist. Die Lust auf die Lok stellte sich jedoch rasch ein. „Am Anfang habe ich oft gehört: ,Du bist doch so klein und schmal – willst du wirklich mit diesen Dampfloks fahren?‘ Aber mir war das egal, ich habe es mir in den Kopf gesetzt und durchgezogen. Man braucht Kraft, wird schmutzig und stinkt nach Kohle – mir taugt des.“ Für die Prüfung hat sich die Zillertalerin richtig in die Technik der Dampflokfahrt reingetigert – mit Erfolg. Ihr Prüfer, Oberinspektor Franz Schimpfhuber, ein ÖBB Train Tech Kollege im Unruhestand, ist zufällig gerade im Heizhaus und voll des Lobes: „Die Jacky war der beste Prüfling, den ich je hatte!“ Jacqueline grinst und sagt: „Das Fahren selbst hab‘ ich mir schwerer vorgestellt. Wenn man’s heraußen hat, dann geht’s gut.“

Wer viel schmiert, fährt gut 

Ob Georg mit der Nummer 3, Theodor (1), der denkmalgeschützte Hermann (2) oder Hannah (4): Jede der vier baugleichen Lokomotiven hat ihre Eigenheiten, auf die eigegangen werden will. „Bei jeder Fahrt findet man was Neues raus. Es ist immer ein Abenteuer“, so Jacqueline. Benannt sind die Loks nach den Gründervätern der Achenseebahn. Bis auf die Hannah, die früher Carl geheißen hat. Sie hat einen neuen Kessel gebraucht und heißt jetzt wie die Enkelin desjenigen, der ihn finanziert hat. 

Eines bleibt bei allen Loks gleich: Ständig heißt es schmieren, schmieren, schmieren – unten im Tal während des Aufheizens, oben am Seespitz und wieder herunten beim Kohle nehmen. Rund 350 Kilogramm Kohle und 3.000 Liter Wasser werden pro Tour benötigt – 50 Minuten dauert die Fahrt bergauf, 42 bergab, mit einem Topspeed von maximal 20 km/h. Besonders bei der größten Steigung auf der 6,7 Kilometer langen Strecke schnauft die Lok ordentlich. Aber wer würde das bei 16 % Steigung nicht und das in derart fortgeschrittenem Alter?  

Die Fahrt vergeht trotz des gemächlichen Tempos für die Fahrgäste wie im Flug – besonders vorne mit freiem Blick auf die Strecke. „Ich bin sozusagen Jacky’s Augen, sie sieht ja hinten auf der Lok nicht, was uns womöglich vorne im Weg liegt“, erklärt Bremser Markus. Nach Stürmen hat er immer eine Motorsäge dabei, im Sommer einen Feuerlöscher, um aus Funkenflug entstandene Brandnester zu bekämpfen. „Unser Rekord an einem heißen Sommertag waren acht Löscheinsätze bei einer Bergfahrt!“

Von früheren Fahrgastrekorden – 134.100 im Jahr 1991– war man 2023 mit 62.400  Fahrgästen bei ca. 185 Betriebstagen noch etwas entfernt, aber das Team ist nach dem Konkurs 2020 und der Pause in den Corona-Jahren wieder guter Dinge. „Unsere Eigentümer stehen hinter uns. Als Team sind wir eine kleine Familie und haben viel Spaß bei unserer Arbeit“, so Jacqueline. 

Werkstatt-Action statt Winterschlaf 

Die insgesamt 20-köpfige Mannschaft schrumpft im Winter auf zehn Leute. Sie nehmen die Loks zur Gänze auseinander – ein mühsames Unterfangen, für das es viel Wissen braucht. Bevor es über den Winter zum Zerlegen und Pflegen in die Werkstatt geht, werden die Züge noch gebührend verabschiedet: Reich geschmückt mit Blumen, Fahnen und Girlanden treten sie ständig pfeifend die Talfahrt an.

„Das ist ein Highlight. Für viele Einheimische ist der Winter erst dann zu Ende, wenn wieder das Pfeifen und Schnaufen der Zahnradloks zu hören ist“, so Jacqueline und weiter: „Wenn ich dann im Frühjahr wieder die verbrannte Kohle rieche, weiß ich: Endlich darf ich wieder fahren!“ Die anfängliche Skepsis ihres Umfelds ist dem Stolz gewichen: „Mein Papa ist Lokführer bei der Zillertalbahn und winkt enthusiastisch rüber, wenn ich fahre.“

Drei Spurweiten & ein einzigartiger Schweinsbraten 

Überhaupt scheint der Bahnhof in Jenbach ein Ort der Superlative zu sein: Neben der jüngsten Dampflokführerin Österreichs ist es auch einer von nur zwei Bahnhöfen in Europa, in dem drei Spurweiten zusammentreffen: die Normalspur der ÖBB, die 760er-Spur der Zillertalbahn und die Meterspur der Achenseebahn. Und obendrauf gibt es in der Bahnhofsrestauration „Gleisalm“ wohl den besten Schweinsbraten zwischen Bregenz und Wien. Eine Stärkung, die das Team der Achenseebahn in Begleitung eines kühlen bayerischen Biers besonders nach einem Arbeitstag in der Hochsaison sehr zu schätzen weiß, während ihre „schwarzen Tiere“ ein paar Meter weiter ebenfalls langsam abkühlen

Termine: 

Feierlichkeiten zum 135. Jubiläum: 28. September 2024 

Saisonschluss: 27. Oktober