Dietmars Streifzüge durch die fantastische Welt der Bahnpflanzen
03. 06. 2020
Wie der Kärntner Biologe Dietmar Vogt durch das Coronavirus die Natur am Bahndamm entdeckte und sensationelle Entdeckungen machte.
03. 06. 2020
Wie der Kärntner Biologe Dietmar Vogt durch das Coronavirus die Natur am Bahndamm entdeckte und sensationelle Entdeckungen machte.
Bahnfahren ist umweltfreundlich. Das weiß jeder. Aber fast niemand weiß, dass Bahndämme und Bahnhöfe ein wichtiger Lebensraum für seltene Pflanzenarten sind. Auch Botaniker haben die Vegetation entlang der Bahnstrecken bisher eher ignoriert. Zu uninteressant und zu unbedeutend erschien den meisten Naturkundlern, was da an Pflanzen wächst und sprießt.
Auch der Ethnobotaniker Dietmar Vogt war bisher in den Bergen unterwegs, um dort alpine Pflanzen und deren Anpassungsmechanismen zu studieren. Heuer war alles anders. Der Lockdown durch das Coronavirus verhinderte, dass Dietmar ins Gebirge fahren konnte. Doch ein wahrer Forscher kann nicht ruhen und der Zufall eröffnete ihm ein unbekanntes Pflanzenuniversum, direkt vor seiner Haustür.
Biodiversität am Bahndamm
„Begonnen hat alles mit einem Spaziergang mit meiner Lebensgefährtin vom Bahnhof Töschling nach Velden, zum Einkaufen. Da gibt es einen Weg entlang der Südbahn und des Wörtherseeufers. Und da habe ich aus dem Augenwinkel eine Pflanze gesehen, die meine Neugier geweckt hat. Zuerst habe ich sie für einen ganz normalen stinkenden Storchschnabel gehalten, eine häufig vorkommende Pflanze. Aber dann habe ich bemerkt, dass die Staubbeutel gelb gefärbt waren. Und da war ich ganz aufgeregt, weil das überraschenderweise eine Pflanze ist, die ich aus meinem Urlaub im Karst von Triest kenne, den Purpurstorchschnabel. Insofern spannend, weil wir unseren geplanten Urlaub dort heuer wegen Covid19 abgesagt haben. Und dann entdecke ich genau diese Pflanze, die ich dort zum ersten Mal gesehen habe, entlang der Bahngleise.“ berichtet Dietmar begeistert.
Das war die Initialzündung für weitere Streifzüge und viele unerwartete Entdeckungen
Wo sich der schöne Pipau wohlfühlt.
Da war einmal die überraschende Artenvielfalt am Bahndamm und den angrenzenden Flächen, die Dietmar verblüffte.“ Ich war überwältigt. Ich habe viele seltene, geschützte und vom Aussterben bedrohte Arten gefunden, aber auch Pflanzen aus anderen Regionen und Klimazonen der Erde. Für mich ist erstaunlich, wie vielseitig dieser vom Menschen geschaffene Lebensraum ist. Wenn man den Bahndamm mit anderen Kulturräumen wie Wiese, Weide oder Acker vergleicht, so fällt eine höhere Biodiversität auf. Das hat damit zu tun, dass es ein Extrembiotop liefert und relativ nährstoffarm ist. Es gibt unterschiedlichste Nischen, die sehr unterschiedliche Pflanzen nutzen. Wir finden Pflanzen aus der Prärie wie den aufrechte Sauerklee oder aus den Subtropen Südwestasiens wie das große Immergrün. Es gibt Pflanzen aus mediterranen Flaumeichenwäldern wie den Fingersteinbrech. Und viele Pflanzen kommen aus dem Mittelmeerraum. Wir haben eine Reihe von Pflanzen, die sich von Süden nach Norden bewegen.“
Einer dieser Neuankömmlinge ist der schöne Pipau, der an einigen Stellen rund um den Bahnhof Töschling gedeiht. Eine schöne hohe Pflanze aus der Familie der Korbblütler mit gelben Blüten, die ein wenig an Löwenzahn erinnert. Der schöne Pipau war bis vor wenigen Jahren sehr selten in unseren Breiten, es gab nur ein dokumentiertes Vorkommen in Südtirol. Jetzt ist er angekommen, aber es ist noch nicht klar ob er gekommen ist um zu bleiben, oder ob er sich nur auf der Durchreise befindet.
Artenvielfalt kommt zum Zug
Besonders wohl scheinen sich verschiedene Storchschnabelgewächse im Bahnschotter zu fühlen. Hier konnte Dietmar mit dem Rundblattstorchschnabel eine Art finden, die in Österreich sehr selten und stark gefährdet ist und für Kärnten sogar als ausgestorben galt.
Sensationell ist auch die Entdeckung des Wimperfederschwingel, ein extrem seltenes Gras, das noch niemand zuvor in Kärnten gesichtet hat. Dietmars Fund der gar nicht so einfach zu bestimmenden Pflanze wurde von zwei Botanikern der Universität Wien bestätigt.
„Ich werde in den nächsten Jahren die Bahndämme und ihre Pflanzenwelt weiterhin erforschen,“ freut sich Dietmar und hofft auf weitere Entdeckungen in diesem botanischen Neuland. Höchste Eisenbahn, diesem Lebensraum mehr Aufmerksamkeit zu schenken.