#Wienstanbul – Hin und Zurück mit dem Zug nach Istanbul

25. 06. 2019

Etwa 48 Stunden, also genau zwei Tage fährt man mit dem Zug von Wien nach Istanbul… und nein Stadtbesichtigungen in Ljubljana, Zagreb, Belgrad, Niš, Sofia oder Plovdiv sind in dieser Reisezeit nicht inkludiert. Seien wir uns ehrlich, der Flug von Istanbul nach Wien dauert 2h15min, also in knapp 6-7 Stunden von Stadtzentrum zu Stadtzentrum, wer fährt da schon mit dem Zug?

Ein Gastbeitrag von David.

Das Warum hat viel damit zu tun, dass der Urlaub mit dem Besteigen des Zuges beginnt, dass also die langsamere Anreise ein wichtiger Teil der Reise selbst ist. Das Kartenspielen im Speisewagen, das bestaunen der großartigen Landschaft des Balkans aus den offenen Fenstern, gehört genauso dazu, wie das sanfte Einschlafen während des monotonen Ratterns der Liegewagen.

Villach – Edirne

Die Reise beginnt in Wien Meidling mit einem ÖBB Railjet nach Villach. Eine wunderbare Art sich auf die lange Reise einzustimmen, mit einem guten Schnitzel Wiener Art und einem Weißbier im DoNs Restaurant Bereich, während wir uns durch die beeindruckend schönen Alpen schlängeln.

Villach ist der Startpunkt des privat betriebenen Autoreisezugs der Optima Tours GmbH, der etwa 1.400 km quer durch den Balkan bis ins türkische Edirne fährt. Drei Liegewagen, sechs Doppel-Autoreisezugwagen und ein Speisewagen der Slowenischen Eisenbahn fahren für 32 Stunden durch Slowenien, Kroatien, Serbien und Bulgarien bis in die westlichste Stadt der Türkei.

Die erste Nacht der Zugreise geht um etwa 6.00 Uhr Früh an der Kroatisch-Serbischen Grenze zu Ende. Danach folgt ein ganzer Tag des Zugfahrens durch Serbien, einem Land wo schon lange nichts mehr in die Eisenbahninfrastruktur investiert wurde und daher an vielen Stellen nur mit sehr geringer Geschwindigkeit gefahren werden kann. Das schöne Wetter, die Landschaft bei offenem Fenster und das gute Essen und Trinken im Speisewagen machen diese lange Reise zu einem kurzweiligen Erlebnis.
Am Nachmittag des zweiten Tages erreichen wir Niš, die drittgrößte Stadt Serbiens, wo uns ein Lokwechsel bevorsteht: Von Elektro auf Diesel, für das landschaftliche Highlight der ganzen Fahrt: Die nicht-elektrifizierte eingleisige Eisenbahnlinie durch das sehr enge Nišava-Tal bis zur Serbisch-Bulgarischen Grenze.

Bei offenem Fenster durch diese beeindruckende Landschaft zu reisen, war unglaublich. Der tiefe Sound der “Dinara 666- 001“, die schon Titos berühmten „Blauen Zug“ durch Jugoslawien gezogen hat, in Kombination mit den steilen Hängen der hohen Berge, dem Rauschen des Flusses und die grüne Vegetation, machen diese Fahrt zu einem besonderen Erlebnis.
Gegen 20.00 Uhr erreichen wir dann die Grenze zu Bulgarien, gegen 22.00 Uhr dann Sofia und um 4.00 Uhr früh dann endlich die Bulgarisch-Türkische Grenze. Kapıkule heißt der Türkische Grenzort und es ist der Einzige in Europa, an dem alle Passagiere aussteigen und zum Bahnhof zur Grenzkontrolle gehen müssen.

Morgens in Edirne angekommen, besorgen wir uns sofort Tickets für den nächsten und einzigen Zug am Tag nach Istanbul und fünf Stunden später tauchen die riesigen Ausläufer dieser großen Stadt links und rechts der Bahnstrecke sowie der im Sonnenlicht glitzernde Bosporus vor unseren Augen auf. Endstation ist in Istanbul Halkalı, einem 25 km vom Zentrum entfernten Vorort. Die neu eröffnete Marmaray-Bahn, die unter den Bosporus durchführt, bringt uns zum Bahnhof Sirkeci, jener Bahnhof, der schon vor etwa 100 Jahren die Fahrgäste des Orient-Express empfangen hat. Nur wenige Meter entfernt vom Ägyptischen Basar, bzw. vom Bosporus und der Hagia Sophia, ist es ein Ankommen und sofort Eintauchen in den Trubel und Zauber dieser Stadt.

Copyright: David N.

Abenteuer Balkan

Nach einigen wundervollen Tagen mit Freundinnen und Freunden und vielen Erlebnissen in Istanbul geht es wieder zurück nach Wien, mit dem Zug versteht sich, aber über einen anderen Weg, abenteuerlich und abwechslungsreich.
Um halb 11 am Abend verlässt der “Istanbul-Sofia Express” den Bahnhof Halkalı und bringt uns nach Dimitrovgrad in Bulgarien, davor natürlich wieder die nächtliche ungewöhnliche Prozedur am Bulgarisch-Türkische Grenzübergang. Es bleibt eine kurze Nacht, denn Dimitrovgrad liegt nur wenige Kilometer hinter der Grenze. Mit satten 70 Minuten Verspätung bangen wir um unseren Anschlusszug. Unbegründeter Weise wie sich bei der Ankunft im bulgarischen Dimitrovgrad herausstellt, denn dort wartet der Anschlusszug nach Gorna Orjahovica auch schon mal 15 min, es ist schließlich der Einzige am Tag. Die folgende Strecke durch das Balkan-Gebirge über den Shipka-Pass (1.150 m) ist atemberaubend. Der Zug mit nur zwei Wagen und zu öffnenden Fenstern schlängelt sich mit gleichmäßigem Rattern das Bergtal hoch und bietet wunderschöne Aussichten. Der Reigen des Umsteigens geht am Zielbahnhof weiter, es folgt eine Zugfahrt nach Ruse, der Bulgarischen Grenzstadt zu Rumänien. Die Geburtsstadt von Elias Canetti ist an der Donau gelegen, mit Straßen im Zentrum gesäumt von vielen gründerzeitlichen Häusern und mit einem wunderschönen Bahnhof ausgestattet heißt nicht ohne Grund im Volksmund „Klein-Wien“. Nach einem kurzen Aufenthalt geht es über die imposante zweistöckige Stahl-Fachwerkbrücke „Giurgiu-Russe-Freundschaftsbrücke“ die Donau querend weiter bis nach Bukarest.
Im Sommer gibt es mit dem „Bosphor Express“ einen direkten Zug zwischen Bukarest und Istanbul, der die Reise zwischen diesen beiden Städten sicherlich angenehmer gestalten lässt. Wien – Istanbul mit einmal Umsteigen, das klingt doch gut!

Copyright: David N.

Nachtzugliebe: Der „Dacia“

Von Bukarest nach Wien geht es am nächsten Tag mit dem direkten Nachtzug nach Hause. Der D 346 „Dacia“ ist ein besonderer Zug, der durch die atemberaubenden Rumänischen Karpaten fährt und viele Möglichkeiten zum aus dem Fenster schauen bietet. Das Ticket für diesen Zug, habe ich mir schon Wochen zuvor bequem im ÖBB Online Ticket-Shop gekauft und dadurch ein günstiges Sparschiene Angebot ergattert. Wir beziehen unser Schlafwagenabteil und machen es uns bald im Speisewagen gemütlich, der nur innerhalb Rumäniens am Zug angehängt ist. Speisekarte gibt es dort keine, zwei Hauptgerichte werden uns angeboten, dazu Rumänisches Bier. Es ist sehr individuell und speziell, aber ein absolutes Erlebnis… was will man mehr! Mit fortschreitender Zeit wird die Stimmung etwas geselliger und unterschiedliche Gespräche ergeben sich. Das gemeinsame Reisen schweißt zusammen und führt zu schönen Begegnungen und interessanten (Lebens-)Geschichten.
Um 1.00 Uhr erreichen wir die Rumänisch-Ungarische Schengen-Grenze, ein letztes Mal Passkontrolle und plötzlich dauert es nicht mehr lange bis wir in Wien sein sollten. Zurück sind wir von Istanbul nach Wien mit ca. 60 Stunden etwas länger als in Richtung Istanbul gefahren, was vor allem der Übernachtung in Bukarest gelegen hat.

Copyright: David N.

Fazit

108 Stunden Zugfahrt, 378€ Reisekosten und ein tolle Erfahrung reicher ist die Istanbul-Woche wieder schnell vorbei gegangen. Schade eigentlich, dass die lange Reise so schnell vorbei gegangen ist, denn es war ein großes Abenteuer mit der Möglichkeit sich dem Reiseziel langsam aber stetig zu nähern. Istanbul ist aufregend, abwechslungsreich und ein Ort mit langer Geschichte, es ist immer Wert diese Reise zu machen!