Der Zahnarzt mit der meisten Kohle
01. 08. 2019
Die Liliputbahn im Wiener Prater ist etwas ganz Besonderes. So auch einer ihrer Lokführer...
01. 08. 2019
Die Liliputbahn im Wiener Prater ist etwas ganz Besonderes. So auch einer ihrer Lokführer...
Wer ist nicht schon mit der Liliputbahn durch den Wiener Prater gefahren und dabei ihrem Charme verfallen? Seit 1928 tuckert der Minizug gemächlich über die 15 Zoll breiten Gleise und hat dabei unzählige Menschen begeistert. Mathias Lidauer ist einer von ihnen und doch ist seine Geschichte ein bisschen anders.
Mathias war auf der Suche nach einem Studentenjob. Bei der Liliputbahn wurde der immer schon Bahnbegeisterte zufällig fündig. Hier wurde nach einem Lokführer fürs Wochenende gesucht. Das war vor sieben Jahren. Heute fährt Mathias weiterhin mit der Dampflok seine Runden durch den Wurstelprater ist aber längst mit dem Studium fertig und praktiziert unter der Woche als Zahnarzt.
„Ich bin der Zahnarzt mit der meisten Kohle“, scherzt er und legt eine Schaufel in den Kessel der Miniaturlokomotive nach. Bereits um sechs Uhr früh am Wochenende, wenn andere sich ausschlafen, beginnt er mit dem Anheizen der zwei baugleichen Dampfloks, den Prunkstücken des Fuhrparks aus dem Gründungsjahr der Liliputbahn.
Gebaut von einer echten Dampflokfabrik, der Firma Krauss und Co in München, die 15 Stück der sogenannten „Martens’sche Einheits-Liliputlok“ in Serie hergestellt hat, ist alles vorhanden, was auch bei einer großen Lok zu finden ist, nur verkleinert im Maßstab 1:3.
Das Anheizen dauert ein paar Stunden, gegen Mittag ist die Dampflok einsatzbereit und erfreut das Herz aller Nostalgiker, Mathias inklusive.
„Meine Liebe zur Dampflok ist schon in die Wiege gelegt worden“ meint er, während er unter mächtigen Dampf mit der Lokomotive aus dem Lokschuppen hinausfährt, um sie draußen zu putzen und zu ölen. „Eigentlich sind es beide Großväter gewesen. Der eine Großvater ist Lokführer bei den Grubenbahnen bei der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks AG gewesen, der andere war Bahnfan, und ich bin mit ihm ständig auf irgendwelchen Bahnhöfen gestanden und so hat das Desaster begonnen“, lacht er. Mit dem Desaster ist natürlich seine Eisenbahn-Manie gemeint, die Mathias mit viel Ironie sieht.
„Diese Krankheit ist unheilbar, definitiv unheilbar. Und die Symptome sind Zeitmangel, und das man ständig dreckig ist. Im Gegensatz zum klinisch sauberen Zahnarztbetrieb geht es hier natürlich viel rustikaler zu. Mit viel Ruß und Öl. Da freut sich die Waschmaschine nach einem Arbeitstag. Aber es ist halt die Liebe zur Eisenbahn. Und die Freude, die man anderen Menschen damit bereiten kann. Das sind die schönsten Momente.“
Mittlerweile ist es Nachmittag geworden und Mathias fährt seine Runden. „Für mich ist jede Fahrt immer wieder ein neues, schönes, Erlebnis. Das schöne an dem Gefährt ist vor allem, dass man eine Zeitreise machen kann. Man kann Technik von 1928 erleben und so in Zeiten zurückreisen, die längst vergangen sind.“
Tatsächlich hat sich bei der Liliputbahn seit ihrer Gründung erstaunlich wenig verändert, wenn man sich alte Aufnahmen der Bahn anschaut. Den Dampflokomotiven hat der Zahn der Zeit wenig anhaben können, wohl auch wegen ihrer massiven Bauweise. Ihr Dienstgewicht beträgt 7200 Kilogramm, das des Tenders 2.000 Kilogramm. Der Kessel fasst rund 750 Liter Wasser und hat einen maximalen Betriebsdruck von 13 bar.
30 kmh schnell kann sie fahren. Eine Dritte Dampflok dieser Serie wurde übrigens 1961/62 in eine Diesellokomotive umgebaut, die ebenfalls heute noch auf der Liliputbahn unterwegs ist. Seit dieser Zeit sind auch Dieselloks im Fuhrpark und letztes Jahr war testweise sogar mit der „Hydrolilly“ eine Lokomotive mit einer Wasserstoffzelle unterwegs. Es gibt also auch neues zu berichten. Die Dampfloks sind aber nach wie vor die Hauptattraktion.
„Für mich war klar, ich möchte neben meinen Hauptberuf in irgendeiner Form das Hobby Lokführer ausleben können. Und das ist schwierig. Mit einer großen Eisenbahn kann man nicht so einfach am Wochenende herumfahren und mit der Liliputbahn hat sich das sehr gut ergänzt.“ meint Mathias. „Zahnradbahn wäre als Zahnarzt vielleicht noch geeigneter gewesen. Aber bis zum Schafberg oder Schneeberg ist es halt weiter weg.“ lacht er und schmiedet bereits Pläne für eine eigene gar nicht so kleine Eisenbahn im Garten. Denn Mathias zweites Hobby ist das Sammeln und Restaurieren von Grubenlokomotiven, die er wieder auf Schiene bringen möchte. Aber das ist eine andere Geschichte.....
Welche Tips Mathias für eine lange Zugfahrt hat verrät er uns hier. „5 Fragen – 5 Antworten. Mit Mathias Lidauer.“
Übrigens: Ihr kennt jemanden, der eine tolle “Gleisgeschichte” zu erzählen hat? Dann meldet euch bei uns per Mail.