Den Tunnel seit Kindheitstagen im Blick

17. 04. 2025

Christiane Schiavinato leitet die Modernisierung des Tauerntunnels. Wir sprachen mit ihr über Zeitdruck, ihre familiären Beziehungen zum Tunnel und den Reiz von Herausforderungen. 

 

Christiane Schiavinato, Projektleiterin für die Modernisierung des Tauerntunnels 

  • Ist: Diplomingenieurin 
  • Isst gern: gegrillten Fisch 
  • Berufswunsch als Kind: Lehrerin 
  • Dienstort: Klagenfurt

Für die Modernisierung musste der Tauerntunnel jetzt acht Monate gesperrt werden. Für viele Pendler in Salzburg und Kärnten ist diese Strecke enorm wichtig. Sie sind statt zwölf Minuten zwischen Mallnitz-Obervellach und Bad Gastein nun ein paar Stunden unterwegs. Macht dich die damit verbundene Verantwortung manchmal nervös?  

Der Zeitdruck ist enorm, weil so viel dranhängt. Die Sperre für die Autoschleuse ist bis zum 4. Juli geplant, am 14. Juli wird der Tunnel für den gesamten Personenverkehr geöffnet. Die Pendler haben sich auf diesen Zeitrahmen eingestellt. Deshalb ist es für uns so wichtig, den Zeitplan einzuhalten. 

Wie erklärst du einem Laien, warum die Arbeiten nicht während des laufenden Betriebs durch geführt werden konnten? 

Der Tauerntunnel ist über 115 Jahre alt, und es sind Sanierungsmaßnahmen am Tunnelgewölbe notwendig. Es muss vom bestehenden Mauerwerk eine Schicht zwischen zehn und dreißig Zentimetern entfernt werden. Daher ist es aus Sicherheitsgründen nicht möglich, währenddessen auf einem Gleis Züge fahren zu lassen. 

Was unterscheidet einen Eisenbahntunnel von 1909 rein technisch von einem des Jahres 2025? 

Beim Tauerntunnel ist keine dichte Innenschale gegeben, deshalb haben wir Probleme mit Wasserzutritten, manchmal tropfend, an anderen Stellen rinnend. Es ist keine systematische Entwässerung und auch keine Abdichtungsebene vorgesehen gewesen. Diese Dinge bauen wir jetzt ein

Was verbindet dich persönlich mit dem Tauerntunnel? 

Ich bin schon als Kind da durchgefahren. Wir haben die Ferien immer im Mölltal verbracht, weil meine Großeltern von dort sind. Meine Eltern haben aus beruflichen Gründen in der Obersteiermark gewohnt – sie waren Lehrer. In allen Schulferien sind wir durch die Autoschleuse nach Kärnten gefahren, das war der schnellste Weg von der Obersteiermark ins Mölltal. Ich bin im Jahr sicher zehn bis zwanzig Mal durch den Tunnel gefahren. Damals durfte man noch im Auto sitzen bleiben. Für mich als Kind war es immer ein tolles Erlebnis, im Auto zu sitzen und durch den finsteren Tunnel zu fahren. Das war immer das Highlight der Autofahrt! 

Der Tauerntunnel ist aber auch Teil deiner Familiengeschichte. 

Ja, genau. Meine Oma hat immer die Geschichte von meiner Urgroßmutter erzählt, die seinerzeit ein paar Saisonen als Badefrau in Bad Gastein gearbeitet hat und dass sie dafür mit dem Zug durch den Tauerntunnel gependelt ist. Es ist eine beliebte Familienanekdote, dass sie dabei Katharina Schratt kennengelernt hat, die als Freundin von Kaiser Franz Joseph bekannt war. Sie hatte Schratt als eine sehr höfliche, angenehme Persönlichkeit in Erinnerung. 

Technische Berufe wie deiner sind für Frauen noch immer recht ungewöhnlich. Warum hast du dich für diese Laufbahn entschieden? 

Ich habe zunächst ganz klassisch das Gymnasium besucht und schon damals großes Interesse an Mathematik und an naturwissenschaftlichen Fächern gehabt. Ich wollte daher in die Technik, weil es damals die größere Herausforderung war und weil dieses Gebiet mir auch die besseren Chancen bot. Auch deshalb, weil es wenige Frauen gemacht haben. Das Bauwesen konnte ich mir am besten vorstellen, also hab ich das einfach versucht. 

Hast du einen Karrieretipp für Frauen, die gerade am Anfang ihrer Laufbahn stehen? 

In erster Linie ist es wichtig, sich auf die eigenen Fähigkeiten zu konzentrieren. Es geht darum, die persönlichen Stärken auszuloten und herauszufinden, in welchem Bereich man besonders begabt ist. 

Was hat dich 2012 zur ÖBB geführt, und was hast du vorher gemacht? 

Vorher war ich als Statikerin in einem Zivilingenieurbüro tätig. Ich hab dort auch schon für die ÖBB Brücken und Stützmauern berechnet. Somit war ich schon damals in engem Kontakt mit den ÖBB. 2012 bin ich auf diese Stellenausschreibung gestoßen. Da hab ich mir gedacht: Das wäre doch eine tolle Herausforderung! 

Jetzt einmal abgesehen von Tunneln und Brücken: Wofür kannst du dich privat begeistern? 

Die Freizeit mit der Familie (Christiane hat vier Kinder zwischen sechs und zwanzig, Anm. d. Red.) zu verbringen. Am liebsten in der Natur, da kann man wunderbar abschalten: Wandern, Skifahren, Bergsteigen, Spazierengehen. Auch Reisen mag ich gern.

Wohin geht es denn da? 

Im Sommer am liebsten ans Meer, das ist schon der Wunsch der Kinder. Ab und zu machen wir auch Städtereisen in Europa, übrigens immer mit dem Zug. Letztes Jahr waren wir in Budapest. 

Christiane mit ihrem Team (von links): Projektkoordinator Markus Höhndorf, Baumanager Gerald Winkler und Gerhard Schett. ©ÖBB/Gerald Winkler

Zahlen, Daten, Fakten zum Tauerntunnel 

  • 34.800 M Schienen werden ein- und ausgebaut 
  • 500 Mitarbeiter:innen im Einsatz 
  • 17.600 T bestehende Ausmauerung werden abgetragen 
  • 30.000 eingebaute Betonschrauben 
  • 85.700 M Rückbau von Bestandskabeln 
  • 4.200 M erneuerte feste Fahrbahn 

Im Überblick: Baustelle Tauerntunnel 

Der rund 8 Kilometer lange Tunnel ist von 18.11.2024 bis 13.07.2025 gesperrt: 1.Bauetappe 2024/25 und 2. Bauetappe 2027.

Was wird erneuert?

  • bereichsweise feste Fahrbahn 
  • Oberleitungsumbau auf Deckenstromschiene 
  • Tunnelfunk 
  • Handlauf mit integrierter Beleuchtung 
  • Signaltechnik 

© Titelbild: ÖBB/Marktl Photography