Gleisgeschichten: Die Bahn-Heiligtümer von Mariazell

22. 07. 2023

Die Museumstramway Mariazell ist ein Pilgerort für Eisenbahnjünger.

„28.000 Fahrgäste haben wir im Jahr, das ist schon etwas Besonderes“, strahlt Alfred Fleissner Junior, seines Zeichens Leiter der Museumstramway in seiner adretten Uniform.“Wir sind auch kein Museum, wir sind ein fahrendes Museum. Hier kann man einsteigen und mitfahren, von Mariazell bis zum Erlaufsee. Am Wochenende sogar im Stundentakt. Und wir haben 150 Fahrzeuge, lauter Raritäten und Schätze, die es nirgendwo mehr gibt. Viele sind mustergütig restauriert und aufbereitet und auch fahrbereit.“
Fahrbereit ist das Stichwort, denn gerade ist Alfred dabei, die Dampflokomotive Nr. 31 „Stammersdorf" fahrbereit zu machen - das stärkste Zugpferd in der Flotte. Dafür muss er um 4 Uhr morgens anfangen, denn die Lok muss angeheizt werden, um beim ersten Eintreffen der Fahrgäste gegen 10 Uhr abfahren zu können.

Schatzkammer der Straßenbahnen

Die Stammersdorf, war vor über hundert Jahren als Überlandstraßenbahn zwischen Stammersdorf und Auersthal unterwegs. Überhaupt haben die meisten Fahrzeuge hier bereits längst ihren Hunderter am Buckel. Die älteste Dampftramway der Welt aus dem Jahr 1884, die Nr.8, ist ein besonderes Schmuckstück der Sammlung. Eingesetzt war sie auf der südlichen Linie der Lokalbahn Wien-Hietzing - Mödling, jetzt wird sie gerade überholt. Noch älter ist ein original zweispänniger Pferdebahn-Sommerwagen aus dem Jahr 1868.
Auch die „Elektrischen” können sich sehen lassen: aus Wien, Baden, Salzburg, St. Pölten stammen die wunderschönen Fahrzeuge - alle aus der Zeit rund um die Jahrhundertwende und mit wunderschönem Interieur. Auch die legendäre Pressburger Bahn ist vertreten.

Mit dem Jahr 1938 hört die Sammlung auf: einerseits aus Platzgründen, andererseits aber auch, weil in diesem Jahr endgültig der einheitliche Rechtsverkehr verordnet wurde und es aus Betriebsgründen dann mit einer Museumsbahn schwierig wäre.

Die Gleise erzählen eine Geschichte

„Jedes Stück ist original“ erklärt Alfred Fleissner Senior stolz. Er ist der Initiator der Museumsbahn, hat die einmalige Sammlung zusammengetragen und kennt jedes Stück Schiene. Gerne zeigt er die älteste Straßenbahnschiene der Welt her und verweist auch auf die Oberleitungen, die es sonst kaum noch wo zu sehen gibt. Was so wirkt als würde es schon seit hundert Jahren bestehen, gab es hier vorher noch nicht und wurde aus alten Teilen neu gebaut.
Auch die normalspurige Strecke aus historischen Schienen weist mehrere Besonderheiten auf. Diese Museumsbahn entstand nicht, wie die meisten anderen, durch Reaktivierung einer eingestellten Bahnstrecke, sondern durch kompletten Neubau in den 1970er und 1980er Jahren. Zeitweise haben bei diesem Megaprojekt sogar die Pioniere des Bundesheers mitgebaut, meistens aber haben es die ehrenamtlichen Mitarbeiter in ihrer Freizeit in unzähligen Arbeitsstunden gestemmt. Fertig ist man bis heute trotzdem nicht, es gibt einerseits noch Ausbaupläne, um die Strecke bis in den Ort Maria Zell zu verlängern. Andererseits ist die Gesamtelektrifizierung der Strecke noch nicht abgeschlossen. Projekte um die sich Alfred Fleissner Junior kümmern wird.

Familienbusiness Eisenbahn

Die Fleissners sind eine Eisenbahnfamilie, wie sie im Buche steht. Als der junge Alfred Fleissner Senior beginnt Straßenbahnen vor der Verschrottung in den sechziger Jahren zu retten, ist die Tramway längst in seinen Genen eingeschrieben. Sein Großvater war Straßenbahnfahrer, die Oma Schaffnerin, der Onkel Bahnhofsvorstand in Gänserndorf. Er selbst arbeitete bei der Mariazellerbahn, wo auch seine Frau als Schaffnerin und Zugführerin und der Junior heute hauptberuflich als Lokführer tätig sind.
Die Museumstramway ist sein Lebenswerk, das er jetzt an die nächste Generation weiterreicht.

Die Begeisterung für die Straßenbahn hat der Junior längst vererbt bekommen. Er erinnert sich schmunzelnd: „Es hat schon angefangen mit der Geburt. Die Mama war mit mir schwanger und hat gerade die Heizerprüfung gemacht. Und da ist das schon mit reinkommen. Und später als Kind habe ich das alles spielend mitgelernt, eine schönere Kindheit kann man sich kaum vorstellen. Es ist eine Lebensaufgabe. Ich denke mir halt, der Papa hat da sein Lebensblut reingesteckt. Ich will sie weiterführen. Wir sind Eisenbahner aus Überzeugung und wir machen das mit sehr viel Liebe.“

Diese Leidenschaft ist auch als Fahrgast spürbar. Eine Fahrt mit der Museumstramway ist eine einzigartige Erfahrung, die es ermöglicht, die Vergangenheit hautnah zu erleben.
Mit viel Liebe zum Detail restauriert, erstrahlen die historischen Waggons und Triebwägen in neuem Glanz und laden am Wochenende zur Mitfahrt ein. Bei so viel Schönheit sollte man aber nicht vergessen, wieviel Arbeit darin steckt.

Mehr Infos und die genauen Fahrpläne gibt es unter museumstramway.at